Das "Projekt Erika"

 

Seit bei Ford die Verkaufszahlen für große Autos stark rückläufig sind und allein der Fiesta als modern konzipiertes Auto und wirtschaftliches Auto für guten Absatz sorgt, wird den Kölnern sicher nicht ganz zu unrecht verfehlte Modellpolitik vorgeworfen. Schlimmer noch: Wenn der neue Escort kein Hammer wird, so raunt man sich in der Branche zu, dann könne Ford einpacken. Ford-Chef  Peter Weiher mag solches gar nicht gerne hören. 


Entwurfsskizze

„Wir sind schon 1973 / 74 von einer Änderung des Käuferverhaltens ausgegangen.“, so Weiher
„Und haben nach dem Fiesta nicht etwa massiv in große Autos investiert, sondern alle verfügbaren finanziellen Kräfte auf den neuen Escort konzentriert.“Nun, der neue Escort kommt erst jetzt, und damit fraglos sehr spät. Hätte Ford früher mit ihm angefangen und ihn bereits vor einem Jahr auf den Markt gebracht, dann hätten die Kölner heute ein paar Sorgen weniger. Auf jeden Fall besitzen sie jetzt auch in der von VW Golf und Opel Kadett beherrschten Klasse ein Auto, das mit Frontantrieb und Hecktür jene Merkmale bietet, die bereits klassenüblich und nicht erst seit heute gefragt sind. Ein Auto, von dem Ford-Chef Peter Weiher glaubt, dass es zwar „kein Wunderauto, aber doch ein sehr modernes“ ist, für Ford eine Trendwend  und ein Signal zum Aufbruch bedeute. Wirft man einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte dann muss man annehmen, Das sich die Ford-Leute für ihr jüngstes Kind mächtig ins Zeug gelegt haben. Hier nur ein paar aus dem Milliarden-Projekt:

20 Prototypen wurden gecrasht. Ergebnis: Der Escort soll so gut knittern wie ein großer Granada. Nun das ist alles gut und schön und vor allem sehr teuer. Aber auch die Konkurrenz schläft nicht, und letztlich kommt es darauf an, was am Ende des Fließbandes auf der Straße rollt. Was kann der neue Ford Wirklich? Zuerst mal bringt er eine eigenwillige Optik mit. Abgesehen von der Allerweltsfront, einer Mischung aus Fiesta und Kadett, hat er mit einer leicht ansteigenden Keilform und dem markanten Heck eine eigene Note, die ihn ganz klar als „den Escort“ kennzeichnet, und nicht im allgemeinen Einheits-Look untergehen lässt.


Windkanalversuche


Klassenbester im Windkanal?

 

Wie windschlüpfrig ist die Karosse? Ford: „Mit dem Cw-Wert von 0,385 hat der Escort den geringsten Luftwiderstand in seiner Klasse.“ Ein Wert, den man glauben schenken darf, denn er wurde nicht nur bei Ford in Köln, sondern auch im Wolfsburger VW-Windkanal gemessen. Ein Wert aber auch, den die Konkurrenz, so behauptet sie wenigstens, locker unterbietet: Citroën spricht beim GS von einem Cw-Wert von 0,318. Styling-Chef  Uwe Bahnsen von Ford: „Der französische Windkanal hat Mängel.“ Besonderes Augenmerk legen die Ford-Aerodynamiker dabei auf das Heck des Escort. Ähnlich wie beim Toyota  Corolla Liftback oder Volvo 343 hat der Escort trotz Schrägheck und der Hecktür einen kleinen Stufenheckansatz. Aero-Heck nennt Ford den Stummel, der nicht nur von Vorteil hat, dass man beim Rückwärtsfahren die Abschlusskante der Karosserie als Peilhilfe im Blickfeld hat sondern der auch so geformt ist, das die Heckscheibe auch ohne Wischer schmutzfrei bleiben soll. Dennoch bietet Ford für einen nicht gerade geringen Aufpreis von 228 DM eine Heckwischanlage an, um auch die Scheibe auch bei langsamer Fahrt von Regen und Schnee freihalten zu können. Der Escort ist 4 m lang (Kadett: 3,99 m; Golf 3,81 m), und bei diesem Maß überrascht es nicht, wenn auf den hinteren Plätzen mehr Raum als im Golf und gleichviel wie im Kadett zur Verfügung steht. Ein geräumiges Auto also, und auch das Gepäckabteil bietet keinen Anlass zur Klage: Nach VDA-Norm gemessen passen bis zur Unterkante der Seitenscheiben 360 Liter hinein , und bei umgelegter Rückbank 720 Liter. Zum Vergleich: der Kadett schluckt 390 bzw. 710 Liter, der Golf 320 bzw. 570 Liter Der Ein- und Ausstieg klappt einwandfrei, und beim Zweitürer lässt eine Sinnvolle Konstruktion die untere Gurtbefestigung nicht zur Fußangel werden, wenn man nach hinten einsteigt. Der Gurt rutscht auf einem im Fußraum angebrachten Bügel immer in die richtige Position. Die vorderen Sitze sind gut geformt, die Kopfstützen sehen ähnlich aus wie in einem Saab oder Volvo und sind als offene Rahmen mit „Durchblick“ konstruiert. Auf Wunsch können die Löcher bei den L- und GL- Modellen mit Polstern (Aufpreis 62 DM) verkleidet werden. Das Armaturenbrett des neuen Escorts präsentiert sich groß und übersichtlich, und wenn es wie in den GL Versionen, zweifarbig unterteilt ist, dann glaubt man, in einem Opel zu sitzen. Macht nichts, Hauptsache es ist funktionell, und das ist es. Gegen Aufpreis (72 DM) sind zwei kleine Econo-Warnleuchten im Tacho erhältlich, die dem Fahrer eine möglichst wirtschaftliche Fahrweise signalisieren.
 


Der neue Motor >CVH<


Wie gut sind die neuen Motoren?

 

Die neuen Motoren machen auf Anhieb einen guten Eindruck. Sie sind Drehfreudig, laufen vibrationsarm und bis auf die Höchstdrehzahlbereiche angenehm ruhig. Vor allem der 1,3 Liter Motor gefiel uns sehr gut: er ist temperamentvoll und summt geschmeidig los, vergleichbar etwa mit dem jetzt wieder erhältlichen 70 PS Golf Motor, und etwas kultivierter als der Kadett Motor. Ab 1,3 Liter Hubraum haben die Escort Motoren eine elektronische Zündung ohne Unterbrecher.



Getriebeskizze


Ford-Schaltungen gaben bisher noch nie Anlass zur Kritik, und auch über die Schaltarbeit im Escort lässt sich nur gutes sagen. Leichgängigkeit und exakt lassen sich die Gänge wechseln, störende Einflüsse vom Frontantrieb sind nicht feststellbar. Auch die Lenkung blieb weitgehend von solchen Antriebseinflüssen verschont und verlangt keine unnötigen Kraftakte. Beim sportlich getrimmten XR3, dem stärksten Escort, (stand 10/80) der als Konkurrent des VW Golf GTI antritt bleibt jedoch kein Zweifel, das knapp 100 PS an der Vorderachse ziehen. Der XR3 lässt sich deutlich schwerer als der GTI lenken, was nicht zuletzt an den (serienmäßigen) breiten 185/60er-Reifen und einem sehr klein geratenen Lenkrad liegt. Kenner des alten Escort RS werden sich gleich wieder wie zu Hause fühlen: Der XR3 hat die etwas steife Knackigkeit des RS behalten, ist aber mit seinem serienmäßigen Bilstein-Gasdruckstoßdämpfer Fahrwerk deutlich komfortabler ausgelegt als der alte Ford-Sportler. Und er verlangt dank Frontantrieb naturgemäß weniger fahrerisches Können. Überhaupt kann man die bisherigen Escort Fahreigenschaften völlig vergessen. Der Neue Trampelt auf unebenen Fahrbahnen weder mit der Hinterachse, noch bricht er auf glattem oder losem Untergrund mit dem Heck aus. Der Frontantrieb zieht ihn schön neutral durch die Kurven und lässt sich auch von Lastwechseln (plötzliches Gaswegnehmen in der Kurve) nicht beeindrucken. Ein sicheres Fahrwerk. Und auch ein komfortables, das mit Einzelradaufhängung an der Hinterachse doch recht aufwendig konstruiert wurde.

 

 Quelle: „ADAC motorwelt“